In Kolumbien sein, Obstsalat zum Frühstück, eine große Wassermelone und abends grillen. Das sind Mattis` Wünsche für seinen 10. Geburtstag.
In Kolumbien sind wir, Obstsalat ist mit der hiesigen Fruchtauswahl ein Kinderspiel und wird – zwei Fliegen, eine Klappe – in einer großen Wassermelone serviert. Nur bei der Grillerei müssen wir uns externe Hilfe organisieren. Aber der Reihe nach.
Am Tag vor Mattis` Geburtstag erreichen wir Cinco Cacao, die Kakaofinca von Don Diego und seiner Familie inmitten der Zona Cafetera Kolumbiens. Wir parken auf einer saftigen Wiese umgeben von grünen Hügeln, Bananenpalmen, Orangen- und Avocadobäumen und umschwirrt von einer unglaublichen Vielzahl an Vögeln. Das vielstimmige Vogelkonzert, von dem wir am nächsten Morgen geweckt werden, könnte schöner nicht sein.
Unser Geburtstagskind lässt sich feiern, ist fröhlich und zufrieden mit Kuchen, Obstsalat und Geschenken und um 10 Uhr sind wir alle bereit für eine Führung über die Finca und selbstgemachte Schokolade.
Zur Begrüßung bekommen wir einen heißen Kakao – Milch mit reinem Kakaopulver, kein bisschen bitter, stattdessen sanfter, feinster Kakaogeschmack, Lichtjahre entfernt von dem, was wir bisher als puren Kakao kennen. Don Diego selbst führt uns über sein Land, durch die ganze Vielfalt dessen, was hier wächst und gedeiht, jede einzelne Pflanze, und sei sie noch so unscheinbar, scheint ihm am Herzen zu liegen. Vor 17 Jahren hat er auf giftfreie ökologische Bewirtschaftung umgestellt, bepflanzt sein Land nach Grundsätzen der Permakultur und nach und nach ist es ihm gelungen, ein kleines, gesundes Paradies zu erschaffen. Fasziniert lauschen wir, als er davon erzählt, wie er Chilis und einen Sud aus Orangenschalen gegen Ameisen und andere Eindringlinge verwendet, wie er die Mikroorganismen in der Erde füttert und pflegt, welche Pflanzen sich gegenseitig stärken und schützen. Ja, sein Land sieht ein wenig unordentlich aus im Vergleich zu den Monokulturen der Nachbarn, aber hier duftet die Erde, ist saftig und reichhaltig, hier gedeihen die Pflanzen auch bei großer Hitze, wird der Erdboden bei Regen nicht weggeschwemmt und hierher kommen die Blattschneiderameisen über hunderte Meter von den Nachbargrundstücken, auf denen sie nur pestizidgetränktes Futter finden… Die Orangen und Maracuja, die wir direkt von den Bäumen kosten, sind saftig und unglaublich aromatisch, das Wasser, um unsere Hände vom Saft zu befreien, gießen wir aus der Blüte einer wassersammelnden Pflanze, die auch den Vögeln und Insekten als Trinkquelle dient.
Vor allem aber berichtet Don Diego über die Kakaosträucher, die hier wachsen. Drei verschiedene Sorten Kakao baut er an, eine davon ist in Europa preisgekrönt. Wir sind erstaunt über die winzig zarten, direkt dem Stamm entspringenden Blüten, aus denen sich die großen, schweren gelben oder roten Kakaofrüchte entwickeln. Das weiße Fruchtfleisch, das die Kakaobohnen umgibt, zergeht wie ein Bonbon süß und weich im Mund. Don Diego erklärt, wie die Kakobohnen in mehreren Schritten fermentiert, nur mit Hilfe des Sonnenlichts sterilisiert und schließlich geröstet und geschält werden. Wir rösten selbst ein paar Handvoll Kakaobohnen, bis sie zu duften und wie Popcorn zu knacken beginnen, schälen und mahlen sie. Aus vorbereiteten Kakaoplättchen gießen wir schließlich unsere eigene Schokolade. Schnell und geübt wendet und bearbeitet Don Diego die flüssige Masse auf der kühlen Marmorfläche, und auch Mattis und Hannes üben sich in der Kunst des Conchierens. Bis die Masse abgekühlt und festgeworden ist, bekommen wir Obst serviert, reichlich garniert mit kleinen Stückchen gerösteter Kakaobohnen – eine Delikatesse!
Und schließlich kosten wir unsere eigene Schokolade. Samtigweich und aromatisch schmilzt sie langsam in unseren Mündern…
Begeistert und beindruckt von der Leidenschaft und Hingabe Don Diegos für sein Land und dessen sanfte Bewirtschaftung, verlassen wir mit Schokolade, Kakao und Kaffee, Chilis und Avocados dieses kleine Paradies, um auch noch den letzten Wunsch von Mattis zu erfüllen.
Wir fahren ein Stück nach Norden, nach Filandia, in einen der schönsten Orte der Kaffeeregion. Hier kennen wir uns schon aus, hier haben wir schon zwei Tage gemeinsam mit zwei französischen Familien verbracht, uns gemeinsam von den wunderschön bemalten Holzfassaden und -balkonen des kleinen Ortes verzaubern lassen, den Trubel auf der Plaza genossen, uns gefreut, dass sich die 10 europäischen Kinder mit den Kindern des Ortes zum gemeinsam Hüpfkästchen und Fangen spielen zusammengefunden haben.
Gegen Abend machen wir uns auf den Weg durch die kleinen Straßen, suchen und finden unser Ziel: das Grillrestaurant.
Satt und zufrieden schlendern wir nach dem Essen noch einmal über die immer belebte Plaza und Mattis hat noch einen allerletzten Wunsch für heute: einmal in einem kleinen „Willy“ Jeep, dem ikonischen Fahrzeug der Kaffeeregion, um die Plaza gefahren zu werden. Ein großer Spaß für Mattis und ein kleiner Verdienst für den „Fahrer“.
Den „Willys“, den robusten Allzweckfahrzeugen der Kaffeebauern, begegnen wir auf unserer Fahrt durch die Zona Cafetera immer wieder. Wir sind umgeben von einer Landschaft, wie wir sie von den Bildern auf den Kaffeeverpackungen zuhause kennen. Leuchtend grün bewachsene Hügel, in langen Reihen dicht an dicht stehende Kaffeesträucher, zwischen den dunkelgrün glänzenden Blättern Kaffeefrüchte in allen Reifestadien, von grün über gelb und orange bis hin zu einem dunklen, intensiven Rot. Zwischen den Sträuchern ragen einzelne Papaya- oder Mangobäume weit hinaus und auch die ein oder andere Wachspalme entdecken wir schon. Die Wachspalmen heißen wohl nicht Wachspalmen, weil sie so hoch hinaus wachsen, naheliegend wäre es dennoch. Mit bis zu 60m Höhe bei einem Stammdurchmesser von nur 20-30cm ist der Nationalbaum Kolumbiens ein beeindruckender filigraner Riese. Nur an wenigen Orten sind sie in größerer Anzahl zu bewundern, einer davon ist das Cocora Valley, nicht weit von Filandia.
Mit Prune, David, den Kindern und einer weiteren französischen Familie verabreden wir uns zu einer Wanderung durchs Tal. 6 Erwachsene, 10 Kinder und zwei Hunde, so ziehen wir am nächsten Morgen los. Wir sind nicht die Einzigen, das Cocora Valley ist ein beliebtes Ausflugsziel mit zahlreichen vorbereiteten Fotospots. Verständlicherweise. Beeindruckt bleiben wir immer wieder stehen und legen die Köpfe weit in den Nacken. Die riesigen Wachspalmen stehen wie zufällig verteilt auf den grasgrünen Hügeln, krönen in einer langen Reihe die Bergrücken und verbergen ihre Wipfel immer wieder in den tief vorüberziehenden Wolken.
Unser Weg führt uns von den leuchtend grünen Hügeln in vielen engen und steilen Windungen hinab ins Tal und hinein in den Regenwald. Wir folgen einem Flusslauf, überall plätschert und tropft es und immer wieder überqueren wir zu unser aller Freude auf sehr wackeligen Hängebrücken den Fluss.
Mit müden Beinen kommen wir schließlich wieder bei unseren Fahrzeugen an und werden uns schon bald auf den Weg zu einem Kontrastprogramm machen:
Von der beschaulichen Kaffeeregion aus fahren wir nach Medellin, in die einst gefährlichste Stadt der Welt.
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