Zwischen Wüste und Wildnis



Ja, Arequipa war ein sehr guter Ort um Geburtstag zu feiern. Es ist eine Stadt zum Genießen. Freundlich und entspannt, mit weitläufiger zentraler Plaza zu Füßen der Kathedrale, einem verführerischen Obst- und Gemüsemarkt, schmalen malerischen Gassen, lebhaften Einkaufsstraßen und einem Parkplatz zum übernachten mitten drin. Einen ganzen Vormittag verbringen wir in der wunderschönen Monasteria de Santa Catalina, einem Benediktinerinnenkloster. Das Kloster ist eine kleine Stadt in der großen, komplett abgeschirmt vom Leben jenseits der dicken Mauern. Unsere Führerin, die als AuPair in Freiburg und Wien deutsch gelernt hat, führt uns durch die vielen kleinen Häuschen, in denen die Nonnen lebten und einige heute noch leben und lässt mit ihren Erzählungen das Klosterleben für uns lebendig werden. Eine wunderbare Ruhe liegt über den schattigen Plätzen mit den umgebenden Bogengängen, den andalusisch anmutende Gassen und wunderschön kontrastieren die farbig gestaltete Wände mit den weißen Mauern. Von der Dachterrasse blicken wir weit über die Stadt und von oben auf die Goldfische, die sich im Brunnen der zentralen Klosterplaza tummeln.

Nachmittags beginnt es zu regnen und so verbringen wir den restlichen Tag hoch über einer der hübschen Gassen im Obergeschoss einer gemütlichen Kneipe, trinken Cocktails, spielen Jenga und gehen erst lange nach Einbruch der Dunkelheit zurück zu unserem Parkplatz, sehnsüchtig erwartet von Joschi.

Es wäre leicht gewesen, hier noch mehr schöne Zeit zu verbringen, doch wir machen uns auf den Weg, sind weiterhin auf der Suche nach einem Ort zum Erholen, Durchatmen, Pause machen.

Die Wüste beginnt schon kurz hinter Arequipa. Fast die ganze peruanische Küste entlang zieht sich ein viele Kilometer breiter Wüstenstreifen. Der kalte Humboldtstrom vor der Küste verhindert das Aufsteigen warmer Luft und damit die Entstehung von Niederschlägen. Hier wächst nichts, hier gibt es einfach nur Sand. Er ist aufgetürmt zu meterhohen Dünen, die die legendäre Panamericana, auf der wir nun unterwegs sind, flankieren, wird vom beständig wehenden Wind auf die Straße geweht, verschluckt Straßenschilder, sodass er von Räumfahrzeugen beiseite geschoben werden muss, trübt als feiner Staub die Sicht… So weit wir schauen können nur Gelb-, Ocker und Beigetöne, darüber die strahlende Sonne am wolkenlosen Himmel. Und dann, endlich, endlich erhaschen wir einen ersten Blick auf das große Blau weit unter uns, sehen weiß leuchtend die Brandungslinie, weit entfernt den mit dem Himmel verschmelzenden Horizont. Der Pazifik. Wir sind da, angekommen an der Küste!

Der Strand scheint endlos, weit und leer, nur ein paar aus Bambusstangen zusammengeschnürte, mit Planen abgedeckte Fischerhütten trotzen Sonne und Wind, sonst kilometerweit nichts als Sand. Wir finden ein kleines Plateau oberhalb des Strandes, einige Kilometer entfernt vom nächsten Ort. Hier wollen wir bleiben. Ein paar Tage verbringen mit nichts als Meer und Strand, Sonne und Wind.

Und genau so machen wir es. Schauen aufs Meer, gehen spazieren, Füße in der Brandung, Gesicht in der Sonne, bauen Sandburgen und warten gespannt, bis die aufkommende Flut den Burggraben zum Überlaufen bringt, buddeln Krebse aus und lassen sie wieder laufen, springen durch die Wellen, lassen uns von ihnen tragen und rennen vor der Brandung davon, freuen uns über die Möwen, die Stunde um Stunde trippelnd der Wasserlinie vor und zurück folgen und nach jeder Welle blitzschnell kleine Krebse aus ihren Löchern ziehen, beobachten, wie sich im Lauf des Tages die Luft vom Dunst trübt, die Steilküste darin wie hinter einem dünnen Vorhang verschwindet und die Sonne schließlich in leuchtendem Rot am Horizont versinkt.

Wir sammeln Treibholz, entzünden endlich wieder einmal ein Lagerfeuer, grillen die eben aus dem Pazifik gezogenen Fische, die uns die Fischersfrau geschenkt hat, braten Bananen zum Nachtisch und sitzen, auch als es lange schon dunkel ist, noch am Feuer, beobachten die schaukelnden Lichter der kleinen Fischerboote weit draussen auf den Wellen, vergraben die Füße im warmen Sand, halten unsere sonnenerhitzten Gesichter in den kühlen Abendwind, schmecken das Salz auf unseren Lippen und lauschen dem ewigen Brausen des Ozeans.

Als nach vier Tagen weder im Bus, noch auf Hund oder Menschen auch nur noch eine einzige staub- und sandfreie Stelle zu finden ist, der Sand aus allen Kleidungsstücken rieselt und Haare, Hosen und T-Shirts steif vom Salzwasser sind, ist es an der Zeit weiterzuziehen.

Eine Dusche wäre schön – und dann: ein neuer Platz um noch ein paar Tage länger Pause zu machen.

Ein Hotel mit Stellplatz in einer kleinen Bucht 300km weiter ist unser Ziel, erfüllt aber leider nicht, was wir uns erhofft haben. Es ist teuer und der Platz nicht so schön, dass wir länger bleiben wollen. Aber für eine Nacht, eine Dusche und ein Essen im Restaurant ist es gut.

Die nächsten hunderte Kilometer zieht sich die Panamericana meist hoch über dem Pazifik entlang der Steilküste durch die Wüste. Nur dort, wo ein Fluss ins Meer mündet, ist es grün, wie eine Fatamorgana tauchen dann ganz plötzlich sattgrüne, bewirtschaftete Felder, Haine mit Bäumen und Büschen, kleine Ansiedlungen auf. Ein Ort hat sich ganz dem Olivenanbau verschrieben. Entlang des Flusslaufes reihen sich knorrige Olivenbäume aneinander, entlang der Straße die Stände mit Olivenöl. Die Luft ist erfüllt vom Duft nach Oliven.

Genüßlich schnuppern wir, kaufen eine Flasche Öl und schon wenige Meter später sind alle Farben, ist alles Leben wieder dem Ockergelb des Sandes gewichen.

Jenseits der Flüsse ist Wasser rar. Das merken wir, als wir wie gewohnt an den Tankstellen darum bitten, den Wassertank des Busses auffüllen zu dürfen. Bisher war das nie ein Problem – hier werden wir mehrfach abgewiesen, bis der dritte Tankwart uns erklärt, dass das Wasser mit Tankwagen hierher gebracht wird, jeder es also für den eigenen Bedarf einkaufen muss. Einen Eimer Wasser können wir wohl bekommen, den Tank komplett auffüllen leider nicht.

Entlang der Küste finden wir keinen Ort, der uns einlädt, länger zu bleiben und so fahren wir weiter bis Nasca. Nasca ist einer der trockensten Orte der Erde, lediglich eine Stunde pro Jahr regnet es hier. Und dennoch können wir hier unseren Wassertank auffüllen. Nasca wird versorgt mit Grundwasser aus jahrhundertealten Aquädukten und tiefen Brunnen. Doch nicht wegen der Trockenheit ist die Stadt berühmt geworden, sondern der mysteriösen Lineas Nasca wegen, der Jahrtausende alten Scharrbilder in der Wüste. Wir parken am Stadtrand vor dem Haus von Professor Edgardo. Edgardo ist Professor für Astronomie. Jeden Abend hält er nacheinander auf englisch, französisch und spanisch einen kleinen Vortrag zu den Nasca Linien im winzigen, in ein Hotel integrierten Planetarium. Eigentlich ist sein Vortrag eine Hommage an Maria Reiche, die Dresdnerin, die ihr Leben der Erforschung der Nasca Linien widmete, dafür zunächst unter einfachsten Bedingungen jahrelang in der Wüste lebte, bevor der Hotelbesitzer ihr ein Zimmer und Verpflegung auf Lebenszeit anbot. Hier starb sie im Jahr 1998, hochgeschätzt und verehrt von der peruanischen Bevölkerung und zuletzt sogar eine der ihren. Kurz vor ihrem Tod erhielt sie die peruanische Staatsbürgerschaft und auch ihr Wunsch nach einer Grabstelle inmitten der Wüste wurde erfüllt.

Edgardo ist ein großherziger Freund aller Reisenden und für sein offenes Haus, seine Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft bekannt. Dennoch sind wir überrascht, als er uns umstandslos am Ende seines Vortrags seinen Hausschlüssel in die Hände drückt. Er muss noch den spanischen Vortrag halten, sein Haus, die Waschmaschine, Wasser, Dusche und alles, was wir sonst noch brauchen steht uns zur Verfügung. Wie unkompliziert, vertrauensvoll und einfach – und wie schön und inspirierend, Menschen wie ihm zu begegnen. Einen Tag und eine Nacht genießen wir seine Gastfreundschaft, dann dreht Mattis eine Abschiedsrunde auf dem futuristischen Lichtmobil im kleinen Park nebenan und wir verlegen unseren Schlafplatz vor das Wärterhäuschen des kleinen Flugplatzes der Stadt.

Die Dimensionen der Nasca Linien lassen sich nur aus der Luft wirklich erfassen. Umso beeindruckender und rätselhafter ist es, wie es dem Volk der Nasca vor über 2000 Jahren gelang, die kilometerlangen, schnurgeraden Linien, exakten geometrischen Formen und hunderte Meter großen Menschen und Tierbilder in die Erdoberfläche zu scharren. Durch die Entfernung der oberen dunklen Erdschicht, die rechts und links der Strukturen aufgehäuft wurde, kam die hellere, darunter liegende Schicht zum Vorschein, die die sogenannten Geoglyphen erkennbar macht. Dank des überaus trockenen Klimas sind die Linien und Formen auch heute noch erkennbar, teilweise von Maria Reiche selbst in mühevoller Arbeit mit Besen und Schaufel wieder vollständig freigelegt. Das trockene Klima war, so eine der Theorien, auch ein Grund für die Erschaffung der Linien. Maria Reiche war fest davon überzeugt, dass sie Teil von Fruchtbarkeits- und Regenritualen waren, womöglich auch als eine Art Agrarkalender zur Erkennung der Aussatzeiten dienten – und nicht, wie auch postuliert, als Landeplatz Ausserirdischer…

Hannes, Mattis und Jan erkunden die Lineas bei einem Rundflug mit einer kleinen Cessna aus der Luft, können den Eulenmann, den Kollibri, den Baum, die Hände, den Affen und die Dimensionen der Linien und ihre Kreuzungen ganz überblicken – und kommen begeistert, etwas blass um die Nase und mit leicht wackeligen Knien wieder auf der Erde an. Einige der Figuren können wir zum Glück auch gut von Aussichtstürmen sehen und bewundern.

Es ist heiß, die Wüste bietet wenig Erholungsraum und Rückzugsmöglichkeit, Luis und ich kämpfen mit einem Infekt. Wir brauchen einen Ort, an dem wir ein paar Tage bleiben und wieder gesund werden können. Die nächste Stadt ist Ica, wieder weiter in Richtung Küste und noch immer inmitten der Wüste gelegen. Doch wir hoffen auf eine kleine Oase – und werden fündig. Wir dürfen uns im Garten der Serenity Lodge einquartieren. Ein ruhiger, liebevoll gestalteter Ort, vor uns der kleine Pool, direkt hinter dem Bus Pferde und Hühner, dazu Mango- und Avocadobäume, Blumen und endlich wieder einmal Gras unter unseren Füßen.

Die nächsten vier Tage verlassen wir diesen Ort nur um einzukaufen. Frische Brötchen, Obst und – Geburtstagskuchen! Luis wird 15 🙂 – vielleicht feiert er nächstes Jahr mit einer großen Party, dieses Jahr zwingen Hitze und Infekte uns zu einem sehr ruhigen Festtag.

Nach vier Tagen schlafen, lesen, schwimmen, essen und erholen haben wir genügend Energie für ein besonderes Erlebnis gesammelt. Nur zwei Kilometer weiter liegt eine kleine Lagune inmitten der Dünen, umgeben von einer einzigen Straße, Palmen und einem Gürtel aus Häusern, Hostels und Restaurants. Die Oase Huacachina. 180 Menschen leben hier, ein Vielfaches an Touristen kommt jeden Tag dazu. Es ist sehr heiß, weit über 30 Grad, als wir hier ankommen und auf dem einzien Campingplatz des Ortes einchecken – einem Parkplatz zwischen Glampingzelten, Duschen und Pool direkt unterhalb einer riesigen Düne. Der Pool ist unser erstes Ziel – begeistert entdecken wir die Poolbar mit Barhockern im Wasser und Theke auf Wasserspiegelhöhe. Den Drink verschieben wir jedoch auf später. Jetzt wollen wir hinein in den Sand, hinauf auf die Dünen. Wir buchen eine Sandbuggytour. Mit dem „Aguila“ und Carlos, gut angeschnallt und der Empfehlung, Sonnenmützen und – brillen gut festzuhalten geht es nach einem kurzen Tankstop an der mobilen Wüstentanke mit Karacho die Dünen hinauf, in Schräglage in die Kurven, mit Schwung über die Kanten steil hinunter, mit Nervenkitzel und Bauchflimmern bis auf die Kuppe einer Düne zum Fotostop. Dann packt Carlos die Boards aus. Zuerst „üben“ wir an einem kurzen und nicht ganz so steilen Hang: flach aufs frisch gewachste Board legen, in den Schlaufen festhalten, Kopf hoch und dann: runter! Von Kopf bis Fuß gesandstrahlt kommen wir auch nach dem langen und steilen Hang glücklich unten an – verrückter Spaß pur!

Zum Ende der Tour setzt uns unser Guide hoch über der Oase ab und in unserem eigenen Tempo beobachten wir nun noch die professionelleren Sandboarder, genießen Ausblick und Sonnenuntergang über der Wüste.

Und dann gibt es den versprochenen Drink an der Poolbar, im Wasser, unterm Sternenhimmel, Palmen und die riesige Düne im Hintergrund. Ein schöner Tag, ein schöner letzter Tag in der Wüste.

Denn: wir haben Sehnsucht, Sehnsucht nach Grün, nach Bäumen, Schatten, Gras, Sträuchern und Blumen, nach Wasser und Bergen. Es ist Zeit weiterzuziehen.

Also fahren wir zurück Richtung Osten, noch einmal durch Nasca und weiter in die Berge, in das andine Hochland, vorbei am Cerro Blanco, der höchsten Sanddüne der Welt und steil hinauf auf über 4.000m. 500km sind es bis Cusco, unserem nächsten großen Ziel. Der Weg dorthin ist eine Wohltat für Augen und Seele. Wir kommen nur langsam voran, die Straße windet sich über 5 oder 6 hohe Pässe und mit unzähligen Haarnadelkurven durch die Berge. Doch ich werde nicht müde, aus dem Fenster zu schauen. Genieße den Anblick der unterschiedlichsten Grüntöne, der üppigen, fruchtbaren Natur, voller Wachstum, Lebendigkeit und reichem Überfluss – eine wilde Mischung aus blühenden Hibiscussträuchern, Bougainvillen in allen Farben, riesigen Agaven mit meterhohen Blütenständen, früchtetragenden Blattkakteen, Trompetenbäumen, über und über rot leuchtenden Weihnachtssternen in Baumgröße, Avocado- und Mangobäumen, alle Hindernisse überrankenden Kürbispflanzen, Blumen in rot, blau und gelb zwischen saftigen Blättern in allen Formen und Größen und überall dazwischen kleine Maisfelder, manche schon erntebereit, andere noch mit ganz kleinen Pflänzchen. Es ist ein Fest für unsere Augen.

Der Fahrtwind trägt den würzigen Duft der Eukalyptusbäume in den Bus, warm und sommerlich in den Tälern, erfrischen kühl in großer Höhe. Die Orte tragen Namen wie Pampachiri, Curahuasi, Huertahuayco und Andahuaylas. Wir sehen freundliche, uns zulächelnde Menschen am Straßenrand, kleine Kinder, die in großen Waschschüsseln planschen, Hirten, die kleine Schweine- und Schafherden vor sich hertreiben, eine alte Dame, die uns am Palmsonntag aus einem offenen Gottesdienstraum lachend zuwinkt, buntes Markttreiben, ein Fußballspiel und Menschengedränge beim nationalen Avocadofestival, Kühe am Wegesrand, die genüßlich widerkäuend ins Tal blicken… Wir fühlen uns wohl hier und genießen die Fülle jeden Morgen aufs neue mit köstlichen Avocados, Ananas, Mango und selbstgepflückten Kaktusfrüchten zum Frühstück.

Bei aller Schönheit und allem Reichtum wird uns auch immer wieder klar, wie klein und machtlos angesichts der Naturgewalten wir doch sind, Nicht nur der Kurven wegen kommen wir nur sehr langsam voran, sondern auch aufgrund der vielen Straßenbauarbeiten. Vor kurzem erst haben heftige Regenfälle Böschungen eingerissen, Straßenbefestigungen überschwemmt, Erdrutsche ausgelöst und viele Streckenabschnitte unpassierbar gemacht. Es ist ein El-Nino-Jahr, ein Klimaphänomen, das ungefähr alle 7 Jahre schwere Regenfälle in den Bergen und große Hitze an der Küste mit sich bringt und in seiner Intensität durch den Klimawandel noch verstärkt wird. Immer wieder ist eine Fahrbahnspur gesperrt, Baurabeiter legen mit Schaufeln die Straßengräben frei, befestigen mit großen Baggern und riesigen Findlingen Böschungen neu und befreien die Straßen von Geröll und angeschwemmter Erde.

Vielerorts stürzen Wassermassen aus den Bergen herab, bringen Steine mit sich, fluten die Straßen und lassen die Flüsse anschwellen. Auf einer Hochebene in über 4000m Höhe geraten wir mitten hinein in in die Naturgewalten. Der Himmel ist bleigrau, Donner grollt, Blitze zucken vor uns über den Horizont und schlagartig wird aus Regen Graupel und Schnee. In Sekundenschnelle ist die Straße mit rutschigem Schneematsch bedeckt, sind die Berge rings um uns weiß und die Alpakas mit ihrer hellen Wolle im Schnee kaum noch zu erkennen. Zwei Autos sind in den Straßengraben gerutscht und werden von hilfsbereiten LKW Fahrern herausgeschleppt. Langsam tasten wir uns voran, bis wenige Kilometer weiter und einige Höhenmeter tiefer der Schnee wieder im Sonnenschein leuchtenden Grün gewichen ist.

An die große Höhe gewöhnen wir uns schnell wieder, fühlen uns nur auf über 4.000m etwas wuwwelich im Kopf und merken ansonsten vor allem daran, dass das Teewasser viel schneller kocht und weniger heiß ist und die Kartoffeln ewig brauchen, bis sie gar sind, dass wir wieder in dünner Luft unterwegs sind.

Die letzte Nacht, bevor wir Cusco erreichen, verbringen wir am Canyon Apurimac. Ein steiniger, schmaler Abzweig führt uns nach einigen Kilometern zu diesem wunderschönen Aussichtspunkt. Tief, tief unter uns rauscht der Fluss durch den Canyon, auf den Berggipfeln jenseits glänzt ein Gletscher in der Sonne und spektakulär fallen die Felswände in die Tiefe hinab. Bis an die Ränder der Schlucht grünt und blüht es üppig, selbst hier auf 3.000m Höhe wächst der Mais und werden die Felder bestellt und Joschi genießt es sichtlich, schnüffelnd durchs feuchte Gas zu streifen. Ausser uns sind noch einige einheimische Familien hier, genießen die Aussicht, freuen sich uns zu sehen und machen Fotos von ihren kleinen Kindern mit uns. Als es dunkel wird, fahren sie zurück in den Ort und wir sind alleine, inmitten einer vollmondhellen Nacht und in absoluter Stille. Am nächsten Morgen erwachen wir inmitten der Wolken. Der Canyon ist ausgefüllt mit weißem Nebel, nichts ist mehr zu erkennen von seiner Tiefe, nur von weit entfernt, tief unten hören wir das Rauschen des Flusses. Ab und zu reißen die Wolken auf, geben für ein paar Momente den Blick frei auf eine Felskontur, den blauen Himmel und verdichten sich dann wieder, hüllen die Berge in undurchdringliches Weiß. Am Bus treiben Wolkenfetzen vorüber, ein früher Wanderer gesellt sich zu uns und macht sich bald wieder auf den Weg, da auch ihm die „neblina“ die Sicht verwehrt. Wir fügen uns den Wolken, verzichten auf den geplanten Spaziergang zu einem weiteren, in Wolken gehüllten Aussichtspunkt und fahren die kleine Straße wieder hinab ins Tal. Noch einmal begegnen wir hier dem freundlichen Wanderer, der sich fröhlich und mit vielen guten Wünschen für unseren Besuch bedankt.

Und nun sind wir hier, auf einem Campingplatz oberhalb von Cusco, dem Zentrum der Inkakultur. Hier werden wir einige Tage bleiben, die Stadt erkunden, vielleicht ein wenig miterleben, wie die „Semana Santa“ begangen und gefeiert wird, unseren Besuch von Machu Picchu planen und organisieren und gemeinsam weiter darüber nachdenken, wie und wohin uns unser Weg als nächstes führen soll.


Kommentare

4 Antworten zu „Zwischen Wüste und Wildnis“

  1. Avatar von Martina
    Martina

    Liebe Annhild,
    ich will dir nur kurz schreiben, dass ich viel an euch denke, beim Lesen des Blogs mitgenieße und staune, natürlich manchmal ein bisschen neidisch werde und mich vor allem freue, dass ihr diese Reise gemeinsam mit den Kindern unternehmt!
    Unsere vergleichsweise „Mini-Reise“ wirkt in den Mädels noch immer so nach und ich bin mir sicher – es ist echt ein Geschenk fürs Leben, was ihr da gerade macht!
    Ganz liebe Grüße!
    Martina

    1. Avatar von Anni
      Anni

      Liebe Martina, ich freu mich sehr von dir zu lesen und dass du unsere Reise ein bisschen begleitest! Und würde, wenn wir zurück sind, sehr gerne von euren Reiseerfahrungen hören! Ganz liebe Grüße! Annhild

  2. Avatar von ingeborg weber
    ingeborg weber

    Ihr Lieben in der Ferne,
    … habe gestern mit Reinhart telefoniert und ihm erzählt, wo ihr gerade seid (er fragt immer wieder danach).
    Dieses Mal erinnerte er sich an seinen Aufstieg nach Machu Picchu, bei dem ihn besonders eine Frau ohne Beine – nur mit Stockhilfen – beeindruckte, die den gleichen Weg schaffte!
    Ich grüße und bewundere euch.
    Inge

  3. Avatar von Ulrike und Peter Pawelka
    Ulrike und Peter Pawelka

    Liebe Fahr-Gemeinschaft,
    es ist immer wieder bemerkenswert, wie unterschiedlich Länder der Dritten und Vierten
    Welt von Europäern wahrgenommen werden: als imposante Landschaften, rückständige
    oder bedauernswerte Gesellschaften, entwicklungspolitische Spätstarter oder einfach
    nur als Folien „to seek a richer life ( for yourself )“. Wir freuen uns darüber, dass Ihr noch
    eine recht arglose Perspektive habt.
    Fasziniert verfolgen wir Euren Blog auch, um die Kriterien Eurer Reiseroute herauszu-
    bekommen. Es sind jedenfalls nicht die „ausgetretenen Pfade“, sonst hättet Ihr das
    Auto für ein paar Tage in Arequipa stehen lassen und währt von dort nach Cuzco mit
    dem Zug gefahren. Und Euch hätte eher die nördliche Badeküste Perus gereizt als die
    kalte des Südens. Wir sind jedenfalls gespannt, welche originellen Wege und Ziele wir
    noch erwarten dürfen.
    Weiterhin viel Freude
    Ulrike und Peter

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